Mittwoch, 11. März 2015

Durstig!

Ziellos ging ich durch eine der schmalen Altstadtgassen und überlegte, was ich nun tun könnte. Aber mir fiel nichts Rechtes ein. "Gut, dann fahre ich einfach wieder nach Hause!", sagte ich schließlich zu mir selber.
   Gerade hatte ich den Innenstadtbereich hinter mir gelassen, als mich von einer Sekunde auf die andere ein spontanes, starkes  Durstgefühl überkam.
Seltsam, wunderte ich mich.  Ich konnte mich nicht erinnern, so etwas - von einer Sekunde auf die andere geschehend -  vorher schon einmal erlebt zu haben. Ich hielt mein Fahrrad an und blickte mich um. Wo bekam ich jetzt etwas zu trinken her?

   Auf der gegenüber liegenden Seite sah ich einen Supermarkt und wollte mich schon in diese Richtung bewegen, als mir der „fröhliche Kadaver“ wieder einfiel. Mist, ist ja Feiertag heute! Und tatsächlich ging niemand in den Supermarkt rein oder kam von da heraus.
    Ich schaute mich nach einem Kiosk oder etwas Ähnlichem um. Aber auch da: Fehlanzeige!  In einiger Entfernung sah ich eine kleine Menschenansammlung vor einem größeren Gebäudes stehen. Was war da los? Worauf warteten sie?  Mein Blick glitt die Gebäudewand hoch. Auf einer Wand las ich in riesigen Buchstaben geschrieben:
J E S U S - H A U S                               

Augenblicklich fiel mir wieder jener denkwürdige Abend mit Frank, dem „Selbstmörder“ im Park, ein. Ich erinnerte mich an Franks Worte: „Das sind die Jesusfreaks … die haben eine Teestube. Da gibt es Tee und Kekse umsonst … und man kann sich auch ganz gut mit denen unterhalten!“

   Im Hause schien eine Veranstaltung zu laufen. Warum standen sonst so viele Menschen vor dem Eingang. Vielleicht hatte ich ja Glück und es gab da drinnen tatsächlich etwas zu trinken. Ich  schloss mein Fahrrad an einen Laternenpfahl und ging  schnurstracks auf den Eingang zu. Ich wollte gerade die Eingangstüre öffnen, als ich eine Hand auf meinem Arm verspürte und eine Stimme sagen hörte: „Da kannst du jetzt nicht rein!“                              
    Etwas irritiert nahm ich die Hand vom Griff und schaute nach der Quelle der unerwarteten Störung. Ein etwa 25 jähriger Mann blickte mich ernst, aber nicht unfreundlich an. Ich entdeckte eine Binde mit der Aufschrift „Ordner“ an seinem rechten Arm.  An der anderen Seite der Glastüre nahm ich einen weiteren Ordner wahr. 
    „Aber wieso denn nicht?“, fragte ich nach. Denn offensichtlich war etwas los im Gebäude. Warum standen sonst die Leute davor? "Es ist im Moment wegen Überfüllung geschlossen. Drinnen spielt eine bekannte christliche Rockband!“ Eine christliche Rockband? So etwas gab es? Egal! Ich hatte Durst und war nicht gewillt, mich aufhalten zu lassen. 
    „Ach komm“, bat ich. „Ein Zuhörer mehr oder weniger spielt doch keine Rolle!“ Aber er blieb hart: „Nein, das geht wirklich nicht. Wir haben klare Sicherheitsauflagen.” Er wies mit dem Arm hinter mich: “Die wollen auch da rein.  Nur wenn jemand rauskommt dürfen wir jemand Neues hineinlassen.“

Ich startete einen letzten Versuch: „Kannst du nicht bei mir eine Ausnahme machen? “  
   Er schaute  mich für einen Moment forschend an. Dann sagte er plötzlich: „Gut, geh rein!“ Er öffnete die Tür und ich huschte hinein.   
   Während sich die Tür wieder hinter mir schloss und ich die ersten Treppenstufen hochging, hörte ich die wütenden Proteste derjenigen, die draußen weiter warteten.An einer Wand war ein riesiges Bild einer sprudelnden Quelle aufgemalt. Darunter stand: „Wen da dürstet, der komme zu mir und trinke!“  Ich musste an mein spontanes Durstgefühl von zuvor denken: Seltsamer Zufall! Aber im Grunde genommen wunderte mich mittlerweile schon fast gar nichts mehr.

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