Mittwoch, 11. März 2015

Ein Nachwort


Ich habe bewusst die Geschichte mit dem Wiedersehen Jürgens enden lassen, obwohl sie natürlich noch weiterging. Aber es schien mir richtig, hier erst einmal einen vorläufigen Schlusspunkt zu setzen und das glückliche Ende (m)einer dramatischen Geschichte zu betonen. 
    Die Ankündigung des Todes von Jürgen durch die „Verwandten“ (Dämonen) hatte einen schwere Lebenskrise ausgelöst. Von einem Moment auf den anderen war mein Leben komplett aus den Fugen geraten und es drohte der Fall ins Bodenlose, in den Abgrund. 
    Das es soweit nicht gekommen ist, verdanke ich - aus meiner Sicht - einzig und alleine der rettenden Gnade Gottes. Als die persönliche Not groß war, griff ER völlig unerwartet ein und wendete das Blatt. Jesus reichte mir die Hand und zog mich aus den tiefen Wassern, in die ich geraten war.
      Sicher war es eine gehörige Portion Naivität und Dummheit, die mich in die Fänge des Spiritismus und der Dämonen haben geraten lassen. Was die Sache aber nicht entschuldigt. Die Bibel nennt die Befragung von „Toten“ (also Geistern) eine schwere Sünde. Und das ist in meinen Augen auch!     
     Ich habe damals mit dem Spiritismus, aber auch den esoterischen Dingen wie Tarot und Astrologie komplett gebrochen. Für mich entspringt es alles der gleichen „Quelle“, sind es „Teufelswerke“. Und das ich das Wort „Teufel“ nicht symbolisch verstehe, dürfte jedem Leser meiner Geschichte vermutlich klar sein.                                                           
    Und in diesem Sinne möchte ich auch eindringlich vor der Beschäftigung mit solchen Dingen - insbesondere natürlich dem Spiritismus - warnen. Auf das es einem nicht so ergehe wie mir oder dem „Zauberlehrling“ in Goethes Faust: „Meister hilf! Die Not ist groß. Die Geister, die ich rief, werde ich nicht mehr los.“
 
Das eigentliche Anliegen des Verfassen des vorliegenden Buches war es allerdings nicht, die Abgründe des Bösen zu beleuchten. Dies war sozusagen ein unumgänglicher und nützlicher Nebeneffekt, ohne den die Geschichte ansonsten völlig unverständlich wäre. Mein Hauptanliegen war und ist es aber, auf die rettende GNADE Gottes zu verweisen und sie herauszustellen.          
    Wenn mir dies gelungen sein sollte, und ich denke unbescheidener Weise, dass dies der Fall ist, so wäre ich zufrieden. Ich wünsche jedem Leser, dass meine Geschichte nicht spurlos an ihm/ihr vorbeigehen, und zugleiche eine Warnung (vor dem Bösen) und ein persönlicher Segen in Richtung Glauben sein möge. Amen!

Wer die ausführliche Version der Geschichte lesen möchte: (hier clicken) 

Gute Neuigkeiten


Die nächsten beide Tage verbrachte ich hauptsächlich im Jesus-Haus. Nur zum Schlafen begab ich mich nachts ins Goethe-Gymnasium. Es waren zwei Tage prall gefüllt mit Erlebnissen und Begegnungen. Aber dann am Sonntagmittag endete der Kirchentag. Es lagen vier Tage hinter mir, die mein Leben komplett auf den Kopf gestellt hatten. Sie teilten es von nun an in ein Vorher und ein Danach! 

Nachdem ich mich von Mike und Uli verabschiedet hatte, fuhr ich mit meinem Fahrrad nach Hause. Auf der Treppe zu meiner Wohnung wurde es mir doch noch einmal etwas mulmig. Aber dann schloss ich einfach die Wohnungstüre auf und ging hinein. Drinnen war alles ruhig und völlig normal. Alles war im gewohnten Zustand und es herrschte auch keine bedrückende Atmosphäre. Langsam entspannte ich mich wieder und stellte meine Sachen auf den Boden ab. Dann legte ich mich auf das Sofa und begann zu dösen.

    So mochte ich vielleicht zwei Minuten gelegen haben, als es plötzlich schellte. Ich fuhr hoch! Wer kann das denn sein?  schoss es mir durch den Kopf. Ohne noch weiter darüber nachzudenken stand ich auf und betätigte den Türsummer. Die Eingangstüre wurde aufgedrückt und jemand kam die Treppe hoch. 
    Ich öffnete die Wohnungstüre. Vor mir stand mit weißer Hose und einem kurzärmeligen lila Hemd, also in den Farben des Kirchentages, ... JÜRGEN! Er grinste mich an: "Na, was machst du denn für ein Gesicht! Hast du ein Gespenst gesehen?" Jürgen! Ihn hatte ich ja in all dem Trubel der letzten Tage vollständig vergessen. Er lebte. Gott sei Dank! Die Geister hatten also gelogen! Jetzt grinste ich auch: "Komm rein! Es gibt gute Neuigkeiten!" 

                            Ende

Ein helfendes Gebet


Mike kannte ja halbwegs meine Vorgeschichte und so brauchte ich nicht viel zu erklären. Ich zeigte ihm erst das Wort tot an der Wand und führte ich ihn dann in der Toilette. Dort zeigte ich ihm das Willi grüßt dich und erklärte ihm in kurzen Worten den Zusammenhang. Als ich fertig war, nickte er kurz und sagte dann: "Komm, lass uns beten!                
    So stellten wir uns auf dem Gang in eine Fensterecke und Mike begann zu beten: "Herr Jesus, wir verstehen nicht, was hier genau vor sich geht. Und wir müssen das auch nicht wissen! Wir möchten dich aber bitten, dass du diesen Vorgängen ein Ende bereitest. Schenke bitte Heiner einen guten ungestörten Schlaf. Amen!" "Amen!" schloss ich mich an.                                            
     Zurück im Klassenzimmer sagte ich zu Mike: „Tut mir leid, dass ich dich geweckt habe. Ich wusste mir nicht mehr anders zu helfen."  „Schon gut," meinte er, " das war richtig! Und nun leg dich hin. Du wirst jetzt gut schlafen können."

Als ich am nächsten Morgen aufwachte, fühlte ich mich einigermaßen erholt. Die meisten waren schon aufgestanden und immer wieder verschwanden einige mit Handtuch und Kulturbeutel  in Richtung des Wasch- und Duschraumes.  Mike kam, schon komplett angezogen, zu mir herüber. "Guten Morgen, Heiner!  Na, wie hast du geschlafen?", wollte er wissen. "Ja, ganz gut! Das Gebet hat geholfen!" entgegnete ich.                                   
    Er wechselte das Thema: "Weißt du schon, was du heute machen willst?" Ich dachte kurz nach: "Nein, ich habe eigentlich keinen Plan!" "Wie sieht es mit Frühstücken aus? Du könntest mit Uli und mir ins Jesushaus fahren. Dort ist ein Frühstückstisch für uns Leiter aufgebaut. Das ist sicher kein Problem, wenn du noch dazukommst" schlug er vor. "Keine schlechte Idee!", stimmte ich zu und so machten wir uns wenig später zu dritt auf den Weg ins Jesus-Haus.

Die Erleuchtung


Zuerst hatte ich Uli kurz über meine Beschäftigung mit Astrologie und Tarot berichtet. Er hatte skeptisch geschaut, aber nichts gesagt. Als ich aber von meinem jenseitigen Kontakt mit den „Verwandten“ zu erzählen begann, verzog er das Gesicht und sagte: „Oh Mann, das klingt nach Schwarzer Magie!“                                                                                                                          
    Augenblicklich war mir klar, dass dies nichts Gutes zu bedeuten hatte. Ich fragte nach: „Ja, und was ist Schwarze Magie denn jetzt genau?“ Er überlegte kurz und sagte dann: „Du, auf dem Gebiet habe ich nicht so viele Kenntnisse. Aber ich sehe da vorne den Mike sitzen. Der hat sich vor seiner Bekehrung auch mit Magie beschäftigt. Am besten, du sprichst mal mit ihm. Komm, ich stell dich ihm vor!“ 
    Und so kam es, dass ich wenig später mit einem etwa 35-jährigen, dunkelhaarigen Mann an einem Tisch in der mittlerweile gut gefüllten „Teestube“ saß und ihm von meinem Jenseits-Kontakt mit meinen „Verwandten“ erzählte.
 
Er hatte ruhig zugehört und sagte nun den einen Satz, der bei mir alle „Kronleuchter“ angehen ließ: „Du bist nicht mit deinen Verwandten, sondern mit bösen Geistern, mit Dämonen, in Kontakt gewesen!“ Wie im Zeitraffer liefen die Ereignisse wieder vor meinem inneren Auge ab. All das Verwirrende und Bedrohliche der letzten 24 Stunden ergab plötzlich einen Sinn. Böse Geister sind es gewesen. Nicht meine Verwandten. Ich bin in eine Falle getappt!                                                                     
    Vermutlich war mir der Schrecken anzusehen, denn Mike sagte nun: „Mach dir keine Sorgen. Du bist jetzt auf der richtigen Seite. Du gehörst jetzt zu Gott! Diese Dämonen können dir nichts mehr anhaben.“ Er lächelte: “Aber deine Wohnung, wo du die Sache praktizierst hast, sollten wir schon noch freibeten."                                                                  
    Die Geister waren also noch in meiner Wohnung. Na klar! Warum sollten sie auch gegangen sein!? Ohne weiter darüber nachzudenken stimmte ich zu: „Gut ich bin einverstanden!“

Das erbetene Zeichen



Die „Teestube“ entpuppte sich als ein länglicher, spärlich beleuchteter Raum, in dem einige Tische mit Gebäck und Kerzen standen. Ich war offensichtlich einer der ersten Gäste und holte mir am Ausschank erst einmal einen Tee, den mir eine junge Frau zubereitete. 
     Sie hatte ihn mir gerade gereicht, als plötzlich ein etwa dreißigjähriger Mann durch die Türe kam und es zwischen ihm und der jungen Frau zu einem herzlichen Hallo und Geplauder kam. Der Mann - er hieß Uli - schien aber aus Süddeutschland zu stammen und kam geradewegs von einem Missionseinsatz aus Ägypten, wie er freudig erzählte.
 
Warum ich bei den Beiden stehen geblieben war und recht ungeniert zugehört hatte, vermag ich heute nicht mehr zu sagen. Vielleicht weil es sie auch nicht weiter zu stören schien und ich nicht irgendwo alleine herumsitzen wollte. Doch plötzlich fiel das erbetene Stichwort:Einmal“, sagte Uli, „kamen wir in einen Raum, wo man ganz deutlich die okkulten Kräfte gespürt hat. Wir haben angefangen leise zu beten und ...“ 
    „Entschuldigung“, unterbrach ich ihn, „du sagtest gerade okkulte Kräfte. Was ist das?“ Verblüfft schaute er mich an, als ob er mich gerade erst wahrnehmen würde.  Dann fragte er: „Bist du ein Christ?“Ja“, entgegnete ich, „seit ein paar Stunden. Aber ich weiß nicht, was Okkultismus bedeutet und ob ich damit etwas zu tun habe. Deshalb habe ich vor ein paar Minuten gebetet, dass jemand davon anfangen solle zu reden. Als Zeichen, dass die Sache mich betrifft.“
    Der junge Mann blickte rüber zu der jungen Frau und sagte zu ihr: „Wir können ja vielleicht später noch ein wenig plaudern.“ Dann wandte er sich wieder mir zu: „So, jetzt erzähl doch mal, wieso du denkst, dass du etwas mit Okkultismus zu tun haben könntest.“ 
    "Ja", entgegnete ich, "ich habe dieses Wort mal in einem esoterischen Buchladen gelesen und der Pastor nannte die Beschäftigung damit vorhin eine Sünde.Und das hat mich schon etwas beunruhigt." "Ich verstehe",sagte Uli, "dann erzähl doch mal mit welchen esoterischen Dingen du dich so beschäftigt hast."

Mein erstes Gebet

Folge 22:
Wenig später kam Karl zurück und überreichter mir ein Buch mit dem Titel  Erste Schritte im Glauben. „Dies ist ein Geschenk von meiner Frau. Sie würde dich gerne mal kennenlernen“, sagte er. Und so kam es, dass ich erneut in dem Saal landete, wo zuvor das Rockkonzert stattgefunden hatte.
   Als wenig später dort ein Gottesdienst begann, blieb ich auf Anraten von Karls Frau und erlebte einen schwungvollen Lobpreis (Singen geistlicher Lieder) und eine lange, interessante Predigt über das „Gläubig werden“! Eine Reihe von Menschen übergaben danach ihr Leben Jesus.

Etwa gegen 22 Uhr war der Gottesdienst beendet und ich bewegte mich schon Richtung Ausgang, als ich den Pastor von der Kanzel sagen hörte: “Wer sich heute bekehrt hat und mit Sünden wie beispielsweise Diebstahl, Ehebruch oder Okkultismus zu tun hatte, hat hier noch die Gelegenheit, mit sich beten zu lassen. Ich stutzte, da ich die Bedeutung des Wortes 
Okkultismus zwar nicht kannte, es aber mal in dem esoterischen Buchladen gelesen hatte. Hatte ich vielleicht etwas damit zu tun?
   Da viele Menschen sich auf die Bühne begaben, entschloss ich mich zum direkten Gebet: „Jesus, ich weiß nicht, ob ich etwas mit Okkultismus zu tun habe. Aber wenn ja, möge jemand in der Teestube von diesem Thema zu sprechen anfangen! Das wäre mir dann ein Zeichen. Amen!“ Kurz darauf betrat ich die Teestube des Jesus-Hauses.

Die Lebensübergabe


Im ersten Stockwerk befand sich tatsächlich ein kleiner Raum, an dessen Türe ein Pappschild mit der Aufschrift “Gebetsraum” angebracht war. Zum Glück war er leer. Wir setzen uns und schwiegen für einen Moment. Ich hatte keine Ahnung, wie es nun weitergehen würde. Da sagte der alte Mann plötzlich: "Du kannst jetzt dein Gebet sprechen."
   Ich weiß nicht genau, was in diesem Moment in mir vor sich ging.  Mir liefen plötzlich Tränen über das Gesicht, ohne dass ich sie zu stoppen vermochte. Er wartete geduldig, bis ich mich beruhigt hatte und fragte dann vorsichtig: „Was ist los?“
    Ich schüttelte den Kopf und entgegnete: „Ich kann nicht beten. Ich weiß nicht, was ich sagen soll!“ „Gut“, meinte er, „das ist kein Problem. Dann machen wir es so, ich bete ich einen Satz vor und du sprichst ihn einfach nach. Vor Gott gilt das genauso, als wenn es direkt von dir kommen würde. Bist du einverstanden?“ Ich nickte.
Und so begann der alte Mann zu beten: „Herr Jesus, du siehst mich hier verzweifelt und niedergeschlagen vor dir sitzen.“ Er machte eine Pause und ich wiederholte den Satz. Dann fuhr er fort: „Du kennst mich besser als ich mich selber. Bitte vergib mir, dass ich dich so lange ignoriert und ohne dich gelebt habe.“   
    Woher wusste er das? Egal, ich wiederholte den Satz: “Jesus, ich übergebe dir nun mein Leben. Bitte vergib mir meine Sünden und leite mich von nun an deinen Weg. Ich will dir folgen!“
  Eine Lebensübergabe an Jesus? Aber das habe ich doch gar nicht vorgehabt.  Aber es war jetzt keine Zeit zum Nachdenken, denn er sprach schon den nächsten Satz : „Danke Gott, dass du mein Gebet erhört hast und ich jetzt dein Kind bin…. Amen!“
   Ich wiederholte auch diesen Satz und öffnete ich meine Augen. Karl ergriff meine Hand und schüttelte sie herzlich: „Gratuliere! Jetzt bist du ein Kind Gottes!“  
   Ich lächelte etwas gequält. Aber bevor ich noch etwas entgegnen konnte stand er auf und sagte: „Warte hier! Ich will kurz zu meiner Frau. Die hat immer ein Buch für Neubekehrte dabei. Das wird dir bei deinen ersten Schritten in deinem neuen Leben als Christ helfen!“ 
 Ein paar Sekunden später schloss sich die Türe hinter ihm und ich blieb alleine im Raum zurück. Ich begann nachzudenken. Gut, er hatte mich überrumpelt! Von einer Lebensübergabe an Jesus war im Vorfeld in keiner Weise die Rede gewesen. Aber will ich das wirklich?   
    Auf einmal wurde mir klar, dass ich eine Entscheidung zu treffen hatte. Sollte meine Lebensübergabe nun gelten oder nicht?  Ich hielt einen Moment inne. Was habe ich eigentlich zu verlieren?  Ich hatte ja sowieso vorgehabt, die Bibel zu studieren und danach vielleicht Jesus mein Leben zu geben. Warum also nicht sofort? Und dann traf ich meine Entscheidung: Die Lebensübergabe soll von meiner Seite aus gelten.                                   
 
 Augenblicklich verspürte ich eine große innere Erleichterung und im selben Moment wusste ich, dass ich die richtige Entscheidung getroffen hatte. Mir kamen wieder die Worte von der Frau aus dem Buchladen in den Sinn: „Der Herr kommt bald!“ Und plötzlich begriff ich es.  Der Herr, der sein Kommen dort angekündigt hatte, war soeben da gewesen und hatte mich in seine Nachfolge gerufen.

Der alte Mann


Draußen vor dem Jesus-Haus waren inzwischen Tische und Stühle aufgebaut worden. Ich setzte mich zu einem jungen Paar und einem älteren Mann an den Tisch. Der Herr kommt bald!  Immer wieder ging mir dieser Satz durch den Kopf. Aber es war zwecklos. Es gelang mir einfach nicht, den Sinn dahinter zu deuten.
     Zwischen den Dreien am Tisch war ein recht lebhaftes Gespräch entstanden. Es ging wieder um den Glauben an Jesus. Offensichtlich versuchte der ältere Mann die beiden Anderen zu überzeugen.
Ich begann ihn zu beobachten. Er sprach leidenschaftlich und mit Überzeugung. Das gefiel mir. Überhaupt machte er einen recht sympathischen Eindruck.
Vielleicht würde es mir helfen, wenn ich mit ihm mal reden könnte!?  Gerade als ich das dachte standen alle drei auf, es wurden Hände geschüttelt und dann spazierte das Pärchen davon.
    

Der ältere Mann war stehen geblieben und schaute nun zu mir herüber. Er schien über etwas nachzudenken. Dann gab er sich plötzlich einen Ruck und kam direkt auf mich zu: „Hallo“, sagte er, „ich heiße Karl. Haben Sie Probleme?“

     Ich war ziemlich überrascht. Sieht man mir das so an, dass ich in Problemen stecke? fragte ich mich unwillkürlich. Offensichtlich war es so! Ich lächelte etwas gequält und sagte: „Ja, das könnte man so sagen!“ Seine nächste Frage kam ohne Zögern: „Kennen Sie den Herrn Jesus?“
   Normalerweise wäre hier für mich Schluss gewesen. Das war mir eigentlich viel zu übergriffig. Aber es war nun mal kein Tag wie jeder andere und ich suchte ja auch Hilfe. Und so antwortete Ich: „Ja, schon! Aber vermutlich nicht so, wie Sie das meinen!“ Er nickte verständnisvoll und sagte dann: „Wollen wir zusammen beten?“
    Ich schwieg einen Moment lang betreten. Wann hatte ich das letzte Mal gebetet? Ich konnte mich nicht erinnern. Vielleicht in der Kindheit.
Aber warum eigentlich nicht? dachte ich plötzlich. „Ja, einverstanden“, entgegnete ich. 

    Dann blickte ich mich kurz um. Ringsum saßen noch Leute an den Tischen. „Aber nicht hier!“ „Das ist kein Problem“, sagte er. „Drinnen im Jesus-Haus gibt es einen kleinen Gebetsraum. Dahin können wir gehen.“ Ich erhob mich und wir betraten gemeinsam das Gebäude.

Der Herr kommt bald


Unten angekommen stellte ich fest, dass mittlerweile die Eingangstüre geöffnet worden war. Die beiden Türhüter und die wartenden Menschen von vorher waren nicht mehr zu sehen. Ich wollte schon das Gebäude wieder verlassen, als mir auf einmal eine kleine, offene Seitentüre auffiel. Darüber stand in dicken Buchstaben BUCHLADEN geschrieben.
     Mir fiel plötzlich der Grund meines Aufenthaltes wieder ein. Eigentlich hatte ich ja etwas trinken wollen. Und so änderte ich meine Richtung und trat in den Laden.
 
Der Raum war nicht allzu groß und die Wände voll gestellt mit Bücherregalen. Ich sah in einer Ecke einen Tisch, auf der eine riesige Kaffeemaschine und zwei Kuchenbleche standen. Ich war am Ziel meiner Wünsche angelangt. Wenig später stand ich in der Mitte des Raumes und genoss Kaffee und Kuchen. Ich begann mich wieder etwas besser zu fühlen. Für einen Moment war meine kleine Welt wieder in Ordnung.
   Doch plötzlich drehte sich die Frau, die mich kurz zuvor bedient hatte, ohne einen erkennbaren Grund herum und schaute mir mit ihren blauen Augen direkt ins Gesicht. Dann sagte sie ganz ruhig: „Der Herr kommt bald!“ Ohne eine Erwiderung von mir abzuwarten, wandte sie sich wieder ihrer Arbeit zu.
   Ich stand wie angewurzelt auf meinem Platz und hatte das Gefühl, als wenn sich gleich der Erdboden unter mir auftun würde. Mein Schädel dröhnte wie nach einem Gongschlag in allernächster Nähe. Panik stieg in mir hoch.
Was hat das zu bedeuten? Warum sagt sie so etwas zu mir?

Für mich stand außer Frage, dass jemand Anderes als die Frau zu mir gesprochen hatte. Sie lediglich ein Medium für eine Botschaft an mich war und dass es jetzt wirklich ernst wurde! Aber wer hat da zu mir gesprochen? Etwa meine „Verwandten“? Ich spürte eine neue Schockwelle durch meinen Körper laufen. Hatten sie eine solche Macht?
  Aber die Rede war von einem Herrn. Was für ein Herr? fragte ich mich irritiert. Und was hieß:
Er kommt gleich? War das eine Todesankündigung? Hatte meine letzte Stunde geschlagen? Würde ich nun sterben? Ich fühlte mein Leben jetzt ernsthaft in Gefahr. Es würde etwas geschehen und zwar "bald“.

Eine seltsame Rede

Der Lärm der  Rockband war unüberhörbar und je weiter ich die Stufen hochstieg, umso lauter wurde es. Schließlich stand ich vor einem halboffenen Saaleingang, aus dem ohrenbetäubender Krach hervorquoll.  Einen Moment lang zögerte ich, dann begab ich mitten hinein in den lärmigen Trubel.
    Vorne auf einer Empore spielte eine ausflippende Band mit einem Sänger, der wild umherlief und sprang. Das aufgeheizte zumeist junge Publikum tanzte, johlte und schrie wie in Exstase. Das war wirklich nicht meine Welt! 

    Ich lehnte mich an einen freien Platz an der Wand  und tauchte inmitten all des Trubels meine eigenen Gedankenwelt ab. Wenn du uns jemals wieder bei uns meldest, wird etwas Schreckliches geschehen. Immer wieder ging mir dieser Satz durch den Kopf. Ich konnte es einfach nicht begreifen! Aber ohne jeden Zweifel: Etwas sehr Bedrohliches lag in der Luft.
   

Plötzlich wurde es ganz ruhig im Saal. Die Band hatte aufgehört zu lärmen und der Sänger war vorgetreten. Er hielt ein Mikrophon in der Hand und begann zu sprechen. Mit kräftiger Stimme erzählte er, dass Jesus sein Leben verändert hätte und dass Er dies auch im Leben aller Anwesenden zu tun beabsichtige. Man müsse es Ihm nur erlauben: "Gib dein Leben Jesus und Er wird es völlig neu machen!"
    Diese Botschaft kannte ich ja nun mittlerweile schon vom Vorabend. Aber sie nun auch noch aus dem Munde dieses ausgeflippten Rocksängers zu hören, überraschte mich jetzt doch etwas: Jesus und diese chaotische Musik. Wie geht das denn zusammen? fragte ich mich insgeheim und schaute mich im Saale um.  Aber offensichtlich schien niemand außer mir ein Problem damit zu haben. Ab und zu war ein zustimmendes “Halleluja“ oder ein „Preis den Herrn“ zu vernehmen.        
     Der Sänger schloß seine Rede mit einem kurzen Gebet, in dem er Jesus bat, dass etwas Gutes aus der Veranstaltung entstehen möge. Kurz darauf legte die Band erneut los. Ich verließ den Saal und ging die Treppe hinunter, die ich einige Minuten zuvor heraufgekommen war.

Durstig!

Ziellos ging ich durch eine der schmalen Altstadtgassen und überlegte, was ich nun tun könnte. Aber mir fiel nichts Rechtes ein. "Gut, dann fahre ich einfach wieder nach Hause!", sagte ich schließlich zu mir selber.
   Gerade hatte ich den Innenstadtbereich hinter mir gelassen, als mich von einer Sekunde auf die andere ein spontanes, starkes  Durstgefühl überkam.
Seltsam, wunderte ich mich.  Ich konnte mich nicht erinnern, so etwas - von einer Sekunde auf die andere geschehend -  vorher schon einmal erlebt zu haben. Ich hielt mein Fahrrad an und blickte mich um. Wo bekam ich jetzt etwas zu trinken her?

   Auf der gegenüber liegenden Seite sah ich einen Supermarkt und wollte mich schon in diese Richtung bewegen, als mir der „fröhliche Kadaver“ wieder einfiel. Mist, ist ja Feiertag heute! Und tatsächlich ging niemand in den Supermarkt rein oder kam von da heraus.
    Ich schaute mich nach einem Kiosk oder etwas Ähnlichem um. Aber auch da: Fehlanzeige!  In einiger Entfernung sah ich eine kleine Menschenansammlung vor einem größeren Gebäudes stehen. Was war da los? Worauf warteten sie?  Mein Blick glitt die Gebäudewand hoch. Auf einer Wand las ich in riesigen Buchstaben geschrieben:
J E S U S - H A U S                               

Augenblicklich fiel mir wieder jener denkwürdige Abend mit Frank, dem „Selbstmörder“ im Park, ein. Ich erinnerte mich an Franks Worte: „Das sind die Jesusfreaks … die haben eine Teestube. Da gibt es Tee und Kekse umsonst … und man kann sich auch ganz gut mit denen unterhalten!“

   Im Hause schien eine Veranstaltung zu laufen. Warum standen sonst so viele Menschen vor dem Eingang. Vielleicht hatte ich ja Glück und es gab da drinnen tatsächlich etwas zu trinken. Ich  schloss mein Fahrrad an einen Laternenpfahl und ging  schnurstracks auf den Eingang zu. Ich wollte gerade die Eingangstüre öffnen, als ich eine Hand auf meinem Arm verspürte und eine Stimme sagen hörte: „Da kannst du jetzt nicht rein!“                              
    Etwas irritiert nahm ich die Hand vom Griff und schaute nach der Quelle der unerwarteten Störung. Ein etwa 25 jähriger Mann blickte mich ernst, aber nicht unfreundlich an. Ich entdeckte eine Binde mit der Aufschrift „Ordner“ an seinem rechten Arm.  An der anderen Seite der Glastüre nahm ich einen weiteren Ordner wahr. 
    „Aber wieso denn nicht?“, fragte ich nach. Denn offensichtlich war etwas los im Gebäude. Warum standen sonst die Leute davor? "Es ist im Moment wegen Überfüllung geschlossen. Drinnen spielt eine bekannte christliche Rockband!“ Eine christliche Rockband? So etwas gab es? Egal! Ich hatte Durst und war nicht gewillt, mich aufhalten zu lassen. 
    „Ach komm“, bat ich. „Ein Zuhörer mehr oder weniger spielt doch keine Rolle!“ Aber er blieb hart: „Nein, das geht wirklich nicht. Wir haben klare Sicherheitsauflagen.” Er wies mit dem Arm hinter mich: “Die wollen auch da rein.  Nur wenn jemand rauskommt dürfen wir jemand Neues hineinlassen.“

Ich startete einen letzten Versuch: „Kannst du nicht bei mir eine Ausnahme machen? “  
   Er schaute  mich für einen Moment forschend an. Dann sagte er plötzlich: „Gut, geh rein!“ Er öffnete die Tür und ich huschte hinein.   
   Während sich die Tür wieder hinter mir schloss und ich die ersten Treppenstufen hochging, hörte ich die wütenden Proteste derjenigen, die draußen weiter warteten.An einer Wand war ein riesiges Bild einer sprudelnden Quelle aufgemalt. Darunter stand: „Wen da dürstet, der komme zu mir und trinke!“  Ich musste an mein spontanes Durstgefühl von zuvor denken: Seltsamer Zufall! Aber im Grunde genommen wunderte mich mittlerweile schon fast gar nichts mehr.

Von Unruhe getrieben



Wohin? Tief in mir spürte ich nach wie vor eine bohrende Angst! Die Dinge waren völlig außer Kontrolle geraten.  Ich beschloss, erst einmal zum „Griechen“ zu fahren. Dort stand ja immer noch mein Fahrrad. Während ich nun an einer nahe gelegenen Haltestelle auf einen Bus wartete, brach wie schon in der Nacht ein heftiges Gewitter los. Innerhalb weniger Minuten war die Straße etwa zehn Zentimeter hoch mit schlammigem Wasser überflutet, was in hohem Tempo bergab schoss.

   Jetzt spielt auch noch die Natur verrückt!  Für einen kurzen Moment überlegte ich, ob da vielleicht ein Zusammenhang zwischen dem Unwetter und der Warnung der „Verwandten“ bestünde. Immerhin hatte ich noch nie zuvor in meinem Leben einen solchen Sturzbach erlebt. Wieso also ausgerechnet jetzt?
  Kurz darauf hörte der Regen dann wieder auf und die Straße war bald darauf wieder fahrtauglich. Nur einige Schlammreste zeugten noch von dem vorangegangenen Spuk. Als wenig später dann der Bus kam, hatte ich die ganze Angelegenheit auch schon wieder vergessen. Am griechischen Imbiss stieg ich aus und fuhr mit dem Fahrrad weiter in Richtung Altstadt. Ein bisschen Normalität und Sicherheit in unübersichtlichen, bedrohlichen Situation würde mir vielleicht gut tun.

In der Altstadt angekommen begab ich mich in ein früheres Stammlokal und hoffte, dort einige Bekannte zu treffen. Aber niemand war da. Ich setzte ich zu zwei Backgammonspielern an den Tisch und schaute uninteressiert dem Spiel zu. Vielleicht würde ja noch ein Bekannter kommen.
Nach etwa einer Viertelstunde aber verlor ich die Geduld und fragte einen der Spieler: „Sag mal, wo sind denn die ganzen anderen Leute?“

Er schaute kurz vom Spiel auf und zuckte dann mit den Schultern: „Keine Ahnung! Aber heute ist ja Feiertag. Vielleicht kommen die später noch!“Feiertag? Was für ein Feiertag?”, fragte ich verdutzt nach. „Ach, irgend so einer von der Kirche“, lautete sein knapper Kommentar. Er war schon wieder ins Spiel vertieft. „Happy Kadaver!“ sagte plötzlich der andere und lachte. Als ich ihn verständnislos anstarrte, ergänzte er: „Fronleichnam!“ Dann fielen wieder die Würfel und die beiden waren erneut in ihr Spiel vertieft. Mir reichte es. Ich stand auf und verließ das Lokal.

Ein neuer Schock

Am nächsten Morgen wurde ich recht früh wach und stand sofort auf. Ich wollte nun Klarheit. War Jürgen inzwischen wirklich gestorben und bei meinen „Verwandten“? Ich traf die üblichen Vorbereitungen und setzte mich mit einer Tasse Tee an den Küchentisch. Dann wartete ich auf meine „Verwandten“.
   Nach einer kleinen Weile setzte sich das kleine Tischchen in Bewegung und auf dem Bogen Papier war deutlich lesbar: Hallo_Heiner_wie_geht_es_dir?_Onkel_Willi_ist_hier!_Und_die Anderen_natürlich_auch!
    „Sie“ waren also alle wieder da. Und wie meistens war „Onkel Willi“ mein Gesprächspartner. Wir hatten uns auch zu Lebzeiten schon recht gut verstanden.Ich kam nun ohne Umschweife zur Sache und fragte in den Raum hinein: „Ist Jürgen gestorben?“ Das Tischchen setzte sich erneut in Bewegung: Ja_er_ist_jetzt bei_uns!

Also war das angekündigte Ereignis tatsächlich geschehen. Ich atmete tief durch und sagte dann: „Gut, dann kann ich ja nun mit ihm die versprochene Schachpartie spielen!?“ Es entstand eine kleine Pause. Dann kam die Antwort: Das_ist_im_Moment_nicht_möglich_Er_hat_einen

_schweren_Todeskampf_gehabt_und_ist_noch_sehr_erschöpft
  Diese Mitteilung überraschte mich etwas. Ich war naiver Weise davon ausgegangen, dass mit dem Hinüberwechseln in die andere Welt gleich alles in Ordnung sein würde. Offensichtlich war dem aber nicht so!  Plötzlich setze sich das kleine Tischchen erneut in Bewegung und dann las ich eine zittrige Schrift auf dem Bogen Papier: 
H_a_ll_o_He_i_n_e_r.
  
Das ist Jürgen! schoss es mir durch den Kopf. Und ich fühlte Freude in mir hochsteigen: „Hallo Jürgen“, sagte ich laut in den Raum hinein. „Schön, dass du bei meinen Verwandten bist!“ Dann lachte ich: „Heute darfst du dich noch etwas schonen. Aber morgen bist du fällig. Dann spielen wir eine Partie Schach … und du wirst verlieren! Wie immer! Also, dann bis morgen!“

Ich stand auf, goss mir eine neue Tasse Tee ein und setzte mich wieder an den Küchentisch. Plötzlich kamen mir die Worte vom Vorabend wieder in den Sinn. "Jesus ist der einzige Weg zu Gott!" hatte der junge Mann aus Konstanz behauptet und mir ja jene eine Bibelstelle im Neuen Testament gezeigt. Mal davon ausgehend, dass meine “Verwandten” über mein Gespräch vom Vorabend Bescheid wussten, fragte ich nun ohne Umschweife in den Raum hinein: “Stimmt das eigentlich, dass Jesus der einzige Weg zu Gott ist?”
   Einen Moment lang geschah nichts, aber dann setze sich das kleine Tischchen wieder in Bewegung: Ja_Jesus_ist_ein_Weg_zu_Gott!_Aber_es_gibt_noch_viele_andere!
                            Ah, das ist es also , dachte ich bei mir selber. Es gibt also doch verschiedene Wege, die zu Gott führen! Meine Neugier war nun gestillt und so wechselte ich das Thema. Ich stellte "Onkel Willi" eine neue Frage.
   Zu meiner Überraschung aber ging „er“ darauf nicht ein, sondern begann etwas über einen meiner Freunde zu schreiben. Ich las es und stutzte.
Das stimmt doch nicht! dachte ich irritiert ohne es aber auszusprechen. Es war ganz offensichtlich ein
e Unwahrheit
   Etwas irritiert erhob ich mich vom Küchentisch und begann in der Wohnung umherzugehen. Was ging hier ab? Wieso erzählte mir „Onkel Willi“ diese offensichtliche Unwahrheit? Wusste er es nicht besser oder wollte er mich absichtlich täuschen? Aber warum? Ich spürte eine seltsame Furcht  in mir hochsteigen. Langsam begab ich mich zurück in die Küche, schaute zur Decke und sagte dann jedes einzelne Wort betonend: „
Was ist hier eigentlich los?“

Ich weiß nicht, was ich erwartet hatte. Aber auf keinen Fall das, was nun geschah. Das kleine Tischchen setzte sich augenblicklich in Bewegung und raste mit hoher, "wütender" Geschwindigkeit über den Bogen Papier.
  Die Heftigkeit dieser Bewegung erstaunte mich. Kurz darauf las ich mit ungläubigen Augen in gestochenen scharfer Schrift:
WENN_DU_DICH_NOCH_JEMALS_WIEDER_AN_UNS_WENDEN _WIRST_WIRD_ETWAS_GANZ_SCHRECKLICHES_PASSIEREN

Ich war total geschockt! Angewurzelt stand ich vor dem Küchentisch und spürte, wie mich blankes Entsetzen erfasste. Dann begann ich wieder in der Wohnung auf und ab zu gehen. Ich versuchte meine Gedanken zu sortieren und meine Nerven in den Griff zu bekommen. Was war los? Wieso bedrohten mich plötzlich meine „Verwandten“? Was hatte ich falsch gemacht?
  Aber so sehr ich mir auch das Hirn zermarterte, ich konnte einfach keine vernünftige Antwort finden. Es ergab einfach alles keinen rechten Sinn.
Aber ich bin in Gefahr! Es muss etwas geschehen! Ich zog mir eine Jacke über und verließ die Wohnung.

Montag, 9. März 2015

Der Missionar vom Bodensee

Langsam schlenderte ich mit der Bibel unter dem Arm durch die Gassen der Altstadt zurück zu meinem Fahrrad. Ich hatte es schon fast erreicht, als ich auf einmal eine laute Stimme ganz in meiner Nähe vernahm und neugierig in die entsprechende Richtung blickte. Ein Mann stand etwas erhöht auf einem kleinen Podest und sprach zu einer kleinen Ansammlung von Menschen. Nun doch etwas irritiert fragte ich mich neugierig: Was geht da vor?
   Kurz darauf befand ich mich ebenfalls unter den Zuhören und schaute mir den Redner etwas genauer an. Im Grunde ein ganz normal aussehender Mann, von dem aber eine gewisse Faszination ausging. Seine leidenschaftliche Art des Redens hatte etwas Fesselndes.
     Es war schnell klar, dass  es um den Glauben an
Jesus Christus ging. Aber ich hatte doch erhebliche Mühe ihm inhaltlich zu folgen. Seine Worte rauschten mehr oder weniger unverstanden an mir vorbei. Vielleicht weil ich einfach zu spät hinzugekommen war oder mich unterbewusst andere Gedanken beschäftigten?

Nach einer Weile wurde mir das Ganze zu langweilig und so beschloss ich weiterzugehen. Ich hatte mich gerade umgedreht, als mich  ein junger Mann freundlich lächelnd ansprach: "Hallo! Mein Name ist Herbert. Ich komme aus Konstanz am Bodensee. Darf ich dich etwas fragen?"
    Ehrlich gesagt war ich mich schon etwas befremdet von dieser sehr direkte Art der Kontaktaufnahme  und hätte normalerweise eher abweisend reagiert. Aber dies war kein Tag wie jeder andere und so nickte ich zustimmend: "Ja, gut! Worum geht es denn?" Herbert lächelte mich erneut freundlich an: "Hast du eine persönliche Beziehung zu
Jesus?"                                          

     Wie schon gesagt, es war kein Tag wie jeder andere. Und so fragte ich zurück, wo ich vielleicht ansonsten das Gespräch beendet hätte: "Eine persönliche Beziehung zu Jesus? Wie meinst du denn das?" Seine Antwort kam postwendend: „Ich meine mit Jesus im Alltag zu leben. Ich mache dies schon seit einigen Jahren.“
  
Ich war schon einigermaßen verblüfft. So etwas hatte ich noch nie gehört. Andererseits,  ich stand ja auch im Kontakt mit meinen verstorbenen "Verwandten". Warum also sollte er nicht im Kontakt mit Jesus sein?
   "Weißt du was", sagte er, "ich sehe, dass du eine Bibel in der Hand hast. Was hältst du davon, wenn wir zusammen einige Bibelstellen lesen?" Ich überlegte kurz nickte dann: "Ja, warum nicht!?" Und so setzten wir uns auf eine kleine Mauer und ich schlug meine gerade erworbene Bibel auf.

Er nannte mir nun in der Folge aus dem Kopf einige Bibelversen, die ich dann suchte und laut vorlas. Es begann bei Adam und Eva, dem Sündenfall und der Vertreibung aus dem Paradies und endete bei Jesus am Kreuz: "Durch Jesus Christus und seinen Tod am Kreuz wurde Adams Sünde gesühnt!"  Aha, ich verstand.
Jesus sozusagen als Brücke zu Gott.
   Soweit die "Theorie"! Aber würde sie auch den Praxistest bestehen? Mein Gesprächspartner versicherte mir enthusiastisch: "Es funktioniert wirklich! Ich habe Jesus mein Leben vor einigen Jahren übergeben und seit der Zeit bin ich wirklich in Kontakt mit Gott!"

Ehrlich gesagt war ich schon einigermaßen beeindruckt, aber nicht wirklich überzeugt: "Aber was macht dich denn so sicher, dass du wirklich in Kontakt mit Gott bist und dir das nicht Alles nur einbildest?" Ohne zu zögern antwortete er mir: "Seit jener Zeit hat mein Leben sich total verändert und ich erlebe täglich Fingerzeige und Beweise Seiner Liebe! Er hat mich einen ganz neuen Weg geführt!"
    Das konnte man jetzt glauben oder nicht!? Vielleicht hatte er ja tatsächlich Erfahrungen gemacht, die ich noch nicht kannte. Für einen Moment war ich versucht, ihm von Jürgen und meinem Kontakt zu den verstorbenen "Verwandten" zu erzählen. Aber dann ließ ich es doch lieber bleiben. Vermutlich würde er das nicht richtig verstehen und ihn das Ganze etwas durcheinander bringen.
   Stattdessen fragte ich ihn: "Muss es denn ausgerechnet Jesus sein?  Was ist beispielsweise mit den Moslems und Hindus? Sind sie nicht auch in Kontakt mit Gott? Und was ist mit Ghandi? War er nicht einer der edelsten Menschen, die jemals gelebt haben?“ Er schüttelte den Kopf und sagte: "Schlag mal das Johannesevangelium auf. Kapitel 14 Vers 6!“

       
Als ich nach einigem Suchen die Bibelstelle gefunden hatte, las ich sie laut vor: "Jesus sprach zu ihm: Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater außer durch mich!"   Ich war geschockt! Hatte ich richtig gelesen? Jesus war der einzige Weg zu Gott? „Ja“, hörte ich Herbert sagen, „du siehst, laut Bibel geht es nur über Jesus zu Gott!“ Ich begann die Dimension dieser Aussage zu begreifen. Wenn das wirklich stimmte, dann war in meinem Leben etwas grundlegend nicht in Ordnung.
    Herbert erbot sich noch ein Gebet für mich zu sprechen. Ich erklärte mich einverstanden.
Es wird nicht schaden und vielleicht nützt es ja sogar was, dachte ich bei mir selber.  Und so betete er: "Jesus, du hast unser Gespräch mit angehört. Du siehst, dass Heiner wie ein verirrtes Schaf in der Wüste ist und nach Wasser sucht. Lass ihn nicht für die Ewigkeit verloren gehen und errette ihn aus seinem Zustande! Amen!"
   Nun war ich zum zweiten Mal geschockt. Herbert sah mich also ein "verirrtes Schaf in einer Wüste" an, dass auf "ewig verloren" zu gehen drohte und einer Errettung durch Jesus bedurfte. Nicht gerade schmeichelhaft für mein Ego! Aber ich protestierte nicht, sondern sagte nur: „Amen!" Dann verabschiedete ich mich von ihm und machte mich nachdenklich auf den Weg zu meinem Fahrrad.

Freitag, 6. März 2015

Eine erfolgreiche Bibelsuche

Ein bisschen erstaunte mich, dass es an den Ständen sehr oft um politische Inhalte ging. Und fragte mich einige Male: Wieso gibt es hier nicht mehr religiöse, christliche Bücher? Bibeln? Schließlich ist das hier doch ein Kirchentag!
    Plötzlich verspürte ich den starken Wunsch mir eine Bibel zu kaufen. Ich wunderte mich ein wenig über mich selbst, denn noch vor wenigen Wochen hätte ich es für völlig ausgeschlossen gehalten, dass mich dieses Buch jemals wieder interessieren könnte. Seit meiner frühen Schulzeit hatte nicht mehr darin gelesen.
  Seltsamerweise war es ausgerechnet Jürgen gewesen, der mir einige Monate zuvor zum Kauf einer Bibel
geraten hatte. "Wäre bestimmt interessant für dich sie einmal ganz durchzulesen!", hatte er gemeint. Ich hatte ihn nur verständnislos angeschaut und geantwortet: "Warum sollte ich? Da stehen doch sowieso nur Legenden und Märchen drin!" Er hatte nur gelacht und entgegnet: "Trotzdem! Du solltest es tun!"
    Mir fiel ein, dass auch die "Verwandten" einige Male aus der Bibel zitiert hatten und ich es gerne nachgeschlagen hätte. Keine Frage, ich brauchte eine Bibel.
   Nachdem ich eine Zeitlang erfolglos herumgesucht hatte, vernahm ich plötzlich lautes Singen. Ich ging in Richtung des Klanges und gelangte zu einer Kirche. Für einen Moment zögerte ich, - seit Jahren hatte ich keine Kirche mehr betreten - aber dann öffnete ich die Türe und ging hinein.

Mein Aufenthalt in der Kirche war jedoch nicht von langer Dauer, denn ich war in das Ende eines Gottesdienstes geraten. Kurze Zeit später wurde der Schlusssegen gesprochen und dann noch ein Lied gesungen. Dann ging es im Besucherstrom schon wieder nach draußen.
   Ich scherte schnell aus und blieb in der Nähe der Kirche stehen. Was nun?
Da fiel mein Blick auf ein in der Nähe stehendes Gebäude. Die Fenster im ersten Stockwerk standen offen und einige Jugendliche waren zu sehen. Den Geräuschen nach zu urteilen schien dort eine Party in Gange zu sein. Auf einmal hatte ich das Gefühl, dass eine innere Stimme zu mir sagte: Geh hinein! Dort wirst du eine Bibel finden!  Ich zögerte einen kurzen Moment, dann aber ging ich entschlossen auf den Eingang zu. Einen Versuch ist es wert, dachte ich.

Als ich ins erste Stockwerk kam, war dort vor dem "Partysaal" tatsächlich ein Büchertisch aufgebaut. Erfreut stellte ich fest, dass  dort auch  einige Bibeln zum Kauf angeboten wurden. Die innere Stimme hatte mich also nicht getäuscht. Nach längerer Begutachtung  entschied ich mich für eine  katholischen Einheitsübersetzung, wegen der verständlichen Sprache und auch des günstigen Preises von zehn DM. Danach schaute ich noch einmal kurz in den "Partysaal" und verließ dann wieder das Gebäude.
  Seltsam, dachte ich, da suchst du überall nach einer Bibel und findest sie schließlich dort, wo du es eigentlich nicht vermutet hättest!  Und war es nicht erstaunlich, dass ich dies vorher schon gewusst hatte? Woher war der Impuls gekommen?
  Auf jeden Fall war ich nun froh im Besitz einer Bibel zu sein. Vielleicht ist es ja ein gutes Zeichen!
dachte ich. Ein Zeichen der Hoffnung in dieser recht angespannten Gesamtsituation!

Kirchentag!

Was nun? fragte ich mich nachdenklich. Wieder zurück nach Hause? Nein, ausgeschlossen! Ich wollte jetzt den Abend nicht alleine zuhause verbringen. Und so stieg ich auf mein Fahrrad und radelte Richtung Innenstadt.

     Dort angekommen stellte ich überraschend fest, dass ich offensichtlich nicht der Einzige war, der in dieser Richtung unterwegs war. Auf den beiden Bürgersteigen längs der Straße strömten Menschen, hauptsächlich jüngeren Alters, in die Altstadt. Hier und da war Lachen und Singen zu vernehmen. Auffällig war auch, dass viele von ihnen in Lila und Weiß gekleidet waren und Rucksäcke trugen.
    Etwas irritiert fragte ich mich: Was geht hier vor sich? Auf jeden Fall schien es sich um ein größeres Ereignis zu handeln. Als ich in der Altstadt ankam, staunte ich nicht schlecht. Die beiden Hauptgassen waren gefüllt mit Menschen, links und rechts waren Stände aufgebaut. Es war beinahe wie in der Vorweihnachtszeit!
     Ich schloss mein Fahrrad ab und begab mich neugierig zu einem der Stände. Es war ein Bücherstand mit politischen und religiösen Büchern und Heften. Und plötzlich sah ich ein Traktat mit der Aufschrift:  Evangelischer Kirchentag. Mit einem Mal begriff ich, dass ich  mitten in eine religiöse Großveranstaltung hineingeraten war. 


Eigentlich konnte ich mir unter einen "Kirchentag" gar nichts so recht vorstellen. Gut, es hatte vermutlich etwas mit Kirche, Religion und christlichem Glauben zu tun. Es war nur erstaunlich, dass ich von dieser Sache im Vorfeld nichts mitbekommen hatte. Aber aufgrund meiner damaligen Medienabstinenz war dies eigentlich dann doch nicht so verwunderlich.
   Im Grunde genommen war es eine angenehme und willkommene Überraschung! Ich würde die Sache mit Jürgen eine Weile vielleicht vergessen und mich neuen, möglicherweise sogar interessanten Dingen ablenken können. 
   Außerdem gefiel mir die gute Stimmung um mich herum. Eine heitere Fröhlichkeit war "Trumpf", die nichts mit der sonstigen eher lärmigen „Bierseligkeit“ zu tun hatte. Und so, ebenfalls wieder etwas heiterer gestimmt, begann ich umher zu schlendern und mich neugierig umzuschauen. 



Donnerstag, 5. März 2015

Ein Blitz aus heiterem Himmel

Die nächsten Wochen verliefen ohne besondere Vorkommnisse. Mittlerweile nahte der Sommer und im Garten meiner Vermieter trugen die Obstbäume schwer an ihren Früchten.
 
Eines Mittags an einem schönen Junitag saß ich gut gelaunt am offenen Küchenfenster und genoss die angenehme Sommerluft. Vor mir lag wieder ein Bogen Papier mit dem kleinen Tischchen obenauf. Ich hatte „Onkel Willi“ gerade etwas Belangloses gefragt, als sich das Tischchen zu bewegen begann und ich kurz darauf las: Gleich_kommt_der_Juergen_vorbei
   Ehrlich gesagt war ich über diese Nachricht schon etwas überrascht. Wir, also Jürgen, der schon erwähnte Freund und bekennende Atheist, und ich  waren nämlich nicht verabredet. Andererseits kam es aber durchaus vor, dass er mich spontan besuchte.  Das Tischchen bewegte sich erneut: Er_wird_heute_Nacht_sterben
   Ein Satz, der mich traf wie  ein Pfeil in die Brust oder wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Ich brach augenblicklich in Tränen aus und meinen Körper durchlief ein schluchzendes Beben. Aber da setzte sich das Tischchen schon wieder in Bewegung. Ich las weiter:
Du_ brauchst_ nicht_ traurig_ sein_ Er_ ist_ dann_ bei_ uns_ und_ du_ kannst_ morgen_ schon_ eine_ Partie_ Schach_ mit_ ihm_ spielen
  Diese Aussicht tröstete mich augenblicklich. Er bleibt also erreichbar, dachte ich, er hat dann nur die Seite gewechselt.
Sei_ ganz_ normal_ Geh_ mit_ ihm_ in_ den_ Garten_und_ lies_ ihm_ aus_ der_ Reise_ durch_ das_ Universum_ vor_ Nun_ beeil_dich_Er_ist
_gleich_da

Ich hatte gerade die „Utensilien“ wieder im Schrank verstaut, als es schellte. Jetzt wird es ernst! schoss es mir durch den Kopf. Ich atmete zweimal tief durch, dann ging ich zur Türe und drückte den Summer.
    Als ich die Türe öffnete stand tatsächlich Jürgen da und lächelte. „Na, wie geht`s?“ fragte er. „Ah, hallo, du bist`s!“, sagte ich so beiläufig wie möglich, „komm rein!“ Jetzt nur nichts anmerken lassen, befahl ich mir selber.
   Meine Verstellung funktionierte tadellos. Ich benahm mich so normal wie möglich und verbarg meine wahren Gefühle. Und tatsächlich schien er auch nicht den geringsten Verdacht zu schöpfen. Lediglich einmal, als ich ihm im Garten aus einem esoterischen Buch etwas vorlas, schien er irritiert: „Was sollte das denn jetzt? Warum hast du mir das denn jetzt vorgelesen?“
    In dem Abschnitt ging es darum, dass die Seele nach dem Tode eine Reise durch das Universum antreten würde. Ich konnte ihm ja jetzt nicht erzählen, dass die „Verwandten“ mich angewiesen hatten, ihm dies vorzulesen. Und so sagte ich nach einer kleinen Schrecksekunde wiederum scheinbar beiläufig: „Ach, ich dachte, dass es dich vielleicht interessieren würde!“
  Er lachte kurz auf: „Also ein für alle Male! Ich glaube an diesen ganzen Blödsinn nicht. Tot ist tot! Und damit basta! Danach kommt nichts mehr. Wir sind nur Materie, mehr nicht!“ Ich blickte leicht resigniert zur Seite und dachte: Bald wirst du es besser wissen, mein Lieber!

Wir verbrachten noch den Rest des Nachmittags im Garten, bevor wir dann zum "Griechen" im Nachbarstadtteil fuhren und eine Kleinigkeit aßen.  Nach dem Verlassen des Imbisses begleitete ich ihn noch zu seinem Wagen. Wir gaben uns die Hand und ich sagte: „Dann mach`s mal gut!“
  Ich schaute ihm noch nach, bis sein Wagen außer Sicht war. In diesem Leben werden wir uns nicht mehr sehen, dachte ich etwas schwermütig. Dann begab ich mich zu meinem Fahrrad und schloss es auf.

Dienstag, 3. März 2015

Der Mann im Park

  Ein paar Wochen später saß ich Samstag abends alleine zuhause herum. Mir war langweilig und ich hatte keine Lust auf eine weitere Sitzung mit meinen "Verwandten". So fuhr ich mit meinem Fahrrad in die Düsseldorfer Altstadt, gemeinhin bekannt als "die längste Theke" der Welt.
      Eigentlich mochte dieses Kneipenviertel nicht besonders, aber ich hoffte ein bisschen Ablenkung und Zerstreuung zu finden. Und so lief ich etwas ziellos in den Altstadtgassen herum bis es mir langweilig wurde. Versuchsweise betrat ich eine Diskothek.

Ich hatte mich drinnen noch nicht gar nicht richtig orientiert, als ein offensichtlich angetrunkener junger Mann mich mit Worten zu provozieren begann und - als ich ihn ignorierte - sogar tätlich werden wollte. Zum Glück konnte ihn seine Freundin im letzten Moment noch beruhigen und zurückhalten, sonst wäre eine handfeste Auseinandersetzung wohl unvermeidlich gewesen. 
    Danach war mein Bedarf an weiteren „Erlebnissen“ gedeckt. Ich verließ die Diskothek wieder und machte mich auf die Heimfahrt.
    
Als ich durch einen schlecht beleuchteten Park fuhr und an einem kleinen See vorbei kam, hörte ich auf einmal eine klagende Stimme: „Ich will nicht mehr leben! Ich bringe mich um!“ Etwas irritiert hielt ich an und schaute mich um. Direkt am Rande des Sees stand ein junger Mann. Da sonst niemand zu sehen war, musste die Worte wohl von ihm stammen. Ich zögerte einen Moment, aber als er erneut zu klagen und seinen Selbstmord anzukündigen begann, ging ich zu ihm hin. „Hallo,“ sprach ich ihn an, "warum willst du dich denn umbringen?“
    Der junge Mann hieß Frank und offensichtlich psychisch krank. Für mich war es recht schwer einzuschätzen, ob er sich wirklich umbringen wollte oder dies nur eine Masche war, um etwas Aufmerksamkeit zu erlangen. Sicherheitshalber schlug ich ihm vor, mit mir zusammen den Park zu verlassen und mich ein Stück des Weges zu begleiten. Er willigte ein und erwies sich in der Folge als ein recht angenehmer Gesprächspartner. Nichtsdestotrotz hoffte ich ihn doch auch wieder loswerden zu können.

Wir gingen gerade eine große Straße in der Innenstadt entlang, als er auf einmal vor einem größeren Gebäude stehen blieb und mich fragte: „Hast du Lust auf einen Tee?“ Etwas irritiert blieb ich ebenfalls stehen und fragte ich nach: „Wo, da drinnen?“ Er nickte. „Samstagsabends haben die Jesusfreaks hier immer einen offenen Abend. Anschließend gibt es in der Teestube dann meist noch Tee und Gebäck. Man kann sich mit denen ganz gut unterhalten!“
  Jetzt sah ich an der Hauswand die Aufschrift JESUS-HAUS. Ich erinnerte mich, dass mir diese Schrift im Vorbeifahren schon früher einmal aufgefallen war und ich mich damals gefragt hatte, ob hier eine Sekte ihr Quartier hatte. „Aber es ist doch schon recht spät,“ gab ich zu bedenken. Doch er stand schon an der Türe und öffnete sie: „Siehst du, ist noch offen!“
   Urplötzlich erkannte ich die günstige Gelegenheit. Ich schwang mich auf mein Rad und rief ihm zu: „Ich muss los, Frank! Viel Spaß noch bei den Jesusfreaks!“ Und mit diesen Worten trat ich in die Pedalen.  „Halt, warte! Ich komme mit!“ hörte ich ihn hinter mir her rufen. Aber ich fuhr weiter ohne mich noch einmal umzublicken.
   Schnell hatte ich diese Episode dann auch wieder vergessen, nicht ahnend wie bedeutsam sie noch für mich werden sollte.

Montag, 2. März 2015

Die Bibel? Nein danke!


Eines Tages unterhielt ich mich an der Uni mit Claudia, einer Mitstudentin über meinen esoterischen Beschäftigungen, ließ meine  „Sitzungen“ aber unerwähnt. Sie hörte aufmerksam zu, sagte aber nichts. Schließlich fragte ich nach: "Und? Was denkst du darüber?" Sie schwieg nachdenklich noch einen weiteren Moment, bevor sie antwortete. "Von diesen Dingen verstehe ich nichts. Ich bin Christin und halte mich an die Bibel!"
    Ich fühlte mich wie vor den Kopf geschlagen. "Du glaubst an
Gott?" fragte ich ungläubig nach. "Aber wie kann man als gebildeter Mensch der Bibel glauben? Das sind doch in erster Linie Mythen, Legenden und Märchen. Daran kann man doch nicht ernsthaft glauben!" Ich war fassungslos und richtig entsetzt.
   Sie lächelte etwas verlegen. "Ich kann dazu nicht so viel sagen. Aber mein Freund ist Diakon in einer freikirchlichen Gemeinde und der kennt sich sehr gut in der Bibel aus. Nach einer kleinen Pause fügte sie hinzu: "Du kannst ja mal Samstag abends bei uns in der Gemeinde vorbei schauen. Da haben wir einen offenen Abend und danach wäre bestimmt noch Zeit für ein Gespräch mit meinem Freund." Ich reagierte schroffer als beabsichtigt. "Nein danke! Ich glaube, ich kann meine Zeit da sinnvoller verbringen als über Märchen zu diskutieren." 


Später, als ich alleine war, wunderte ich mich, wieso ich so gereizt reagiert hatte. Wenn ich von den esoterischen Dingen geredet hatte, so war nur recht und billig, wenn sie über ihrem christlichem Glauben sprach. Und überhaupt, in meiner Kindheit hatte ich doch selber fest an Jesus und an Gott geglaubt. War es vielleicht die Erinnerung an jene längst vergessene Zeit, die mich hatte so ärgerlich werden lassen?

In regelmäßigem Kontakt mit den "Verwandten"

Ich hatte im Gegensatz zu Manuel keine Angst bei meinen bisherigen drei „Sitzungen“ verspürt. Ich war einfach nur froh, wieder in Kontakt mit meinen verstorbenen „Verwandten“ zu sein. Schließlich verband ich gerade mit ihnen eine glückliche Zeit meines Lebens.
   Und so setzte ich meine Sitzungen alleine fort. Fast täglich holte ich das kleine Tischchen hervor und stellte es auf einen neuen Bogen Papier. Jedes mal meldeten sich die „Verwandten“, wobei „Onkel Willi“ meist mein Ansprechpartner war. Jedenfalls lautete der erste Satz fast  immer: Willi_grüßt_Dich
    Nach einer Weile waren diese Sitzungen ein ganz "normaler“ Bestandteil meines Lebens geworden. So, wie man mit jemanden im Ausland täglich telefoniert. Genau wie bei Elke und ihrem „Onkel“ war es auch bei mir meist so, dass ich Fragen stellte und „Onkel Willi“ mir antwortete.  
Eine meiner ersten Fragen war  gewesen: “Was macht ihr eigentlich da oben?“  Keine Ahnung, warum ich von einem „oben“ ausging. Jedenfalls richtete ich meine Fragen meist auch immer Richtung Zimmerdecke. Die Antwort hatte etwas überraschend gelautet: Wir_warten_hier_auf_unsere_nächste_Reinkarnation_und_ geben _auf_ dich _und_ deine _Eltern_ acht!
Tatsächlich begann ich ihnen mehr und mehr zu vertrauen. Wie hätte ich auch ahnen sollen, wer "sie" wirklich waren und was "sie" im Schilde führten. Und auf welch einen furchtbaren  Abgrund ich mich zubewegte.
    Als ich Elke von meinem Kontakt mit meinen verstorbenen "Verwandten" erzählte, war sie natürlich hellauf begeistert: "Das ist ja toll! Da können wir ja gleich eine gemeinsame Sitzung machen." Was dann auch geschah.
   Natürlich erzählte ich auch Michael, dem Esoteriker, von meiner Erfahrung. Er schwieg einen Moment und sagte dann: "Ja, von solchen Dingen habe ich schon gehört. Aber das ist nicht mein Weg!" Und damit war das Thema für ihn erledigt.

Anderen gegenüber blieb ich zurückhaltend. Zwar erzählte ich  weiterhin von meinen esoterischen Beschäftigungen, aber über die Sitzungen sprach ich meist nicht.

In dem Zusammenhang möchte ich eine kleine Ausnahme nicht unerwähnt lassen. Als ich einmal mit Jürgen, einen guten Freund und bekennenden Atheisten, eine Sitzung abhalten wollte, funktionierte die Sache zu meiner großen Überraschung nicht. Das Tischchen bewegte sich so gut wie gar nicht!  
Als ich die "Verwandten" später danach befragte, antworteten sie recht kurz und knapp: Wir_möchten_nicht_dass_du_uns_im_Beisein_Anderer_rufst!
    Ich war zwar ziemlich überrascht und auch etwas irritiert, fragte aber nicht nach. "Sie" würden schon ihre Gründe haben! Von da an hielt ich meine Sitzungen dann nur noch alleine ab!