Langsam
schlenderte ich mit der Bibel unter dem Arm durch die Gassen der
Altstadt zurück zu meinem Fahrrad. Ich hatte es schon fast erreicht, als
ich auf einmal eine laute Stimme ganz in meiner Nähe vernahm und
neugierig in die entsprechende Richtung blickte. Ein Mann stand etwas
erhöht auf einem kleinen Podest und sprach zu einer kleinen Ansammlung
von Menschen. Nun doch etwas irritiert fragte ich mich neugierig: Was geht da vor?
Kurz darauf befand ich mich ebenfalls unter den Zuhören und schaute
mir den Redner etwas genauer an. Im Grunde ein ganz normal aussehender
Mann, von dem aber eine gewisse Faszination ausging. Seine
leidenschaftliche Art des Redens hatte etwas Fesselndes.
Es war schnell klar, dass es um den Glauben an Jesus Christus ging.
Aber ich hatte doch erhebliche Mühe ihm inhaltlich zu folgen. Seine
Worte rauschten mehr oder weniger unverstanden an mir vorbei. Vielleicht
weil ich einfach zu spät hinzugekommen war oder mich unterbewusst
andere Gedanken beschäftigten?
Nach einer
Weile wurde mir das Ganze zu langweilig und so beschloss ich
weiterzugehen. Ich hatte mich gerade umgedreht, als mich ein junger
Mann freundlich lächelnd ansprach: "Hallo! Mein Name ist Herbert. Ich
komme aus Konstanz am Bodensee. Darf ich dich etwas fragen?"
Ehrlich gesagt war ich mich schon etwas befremdet von dieser sehr
direkte Art der Kontaktaufnahme und hätte normalerweise eher abweisend
reagiert. Aber dies war kein Tag wie jeder andere und so nickte ich
zustimmend: "Ja, gut! Worum geht es denn?" Herbert lächelte mich erneut
freundlich an: "Hast du eine persönliche Beziehung zu Jesus?"
Wie
schon gesagt, es war kein Tag wie jeder andere. Und so fragte ich
zurück, wo ich vielleicht ansonsten das Gespräch beendet hätte: "Eine
persönliche Beziehung zu Jesus? Wie meinst du denn das?" Seine Antwort
kam postwendend: „Ich meine mit Jesus im Alltag zu leben. Ich mache dies
schon seit einigen Jahren.“
Ich
war schon einigermaßen verblüfft. So etwas hatte ich noch nie gehört.
Andererseits, ich stand ja auch im Kontakt mit meinen verstorbenen
"Verwandten". Warum also sollte er nicht im Kontakt mit Jesus sein?
"Weißt du was", sagte er, "ich sehe, dass du eine Bibel in der Hand
hast. Was hältst du davon, wenn wir zusammen einige Bibelstellen lesen?"
Ich überlegte kurz nickte dann: "Ja, warum nicht!?" Und so setzten wir
uns auf eine kleine Mauer und ich schlug meine gerade erworbene Bibel
auf.
Er nannte
mir nun in der Folge aus dem Kopf einige Bibelversen, die ich dann
suchte und laut vorlas. Es begann bei Adam und Eva, dem Sündenfall und
der Vertreibung aus dem Paradies und endete bei Jesus am Kreuz: "Durch
Jesus Christus und seinen Tod am Kreuz wurde Adams Sünde gesühnt!" Aha,
ich verstand. Jesus sozusagen als Brücke zu Gott.
Soweit die "Theorie"! Aber würde sie auch den Praxistest bestehen?
Mein Gesprächspartner versicherte mir enthusiastisch: "Es funktioniert
wirklich! Ich habe Jesus mein Leben vor einigen Jahren übergeben und
seit der Zeit bin ich wirklich in Kontakt mit Gott!"
Ehrlich
gesagt war ich schon einigermaßen beeindruckt, aber nicht wirklich
überzeugt: "Aber was macht dich denn so sicher, dass du wirklich in
Kontakt mit Gott bist und dir das nicht Alles nur einbildest?" Ohne zu
zögern antwortete er mir: "Seit jener Zeit hat mein Leben sich total
verändert und ich erlebe täglich Fingerzeige und Beweise Seiner Liebe!
Er hat mich einen ganz neuen Weg geführt!"
Das konnte man jetzt glauben oder nicht!? Vielleicht hatte er ja tatsächlich Erfahrungen
gemacht, die ich noch nicht kannte. Für einen Moment war ich versucht,
ihm von Jürgen und meinem Kontakt zu den verstorbenen "Verwandten" zu
erzählen. Aber dann ließ ich es doch lieber bleiben. Vermutlich würde er
das nicht richtig verstehen und ihn das Ganze etwas durcheinander
bringen.
Stattdessen fragte ich ihn: "Muss es denn ausgerechnet Jesus sein?
Was ist beispielsweise mit den Moslems und Hindus? Sind sie nicht auch
in Kontakt mit Gott? Und was ist mit Ghandi? War er nicht einer der
edelsten Menschen, die jemals gelebt haben?“ Er schüttelte den Kopf und
sagte: "Schlag mal das Johannesevangelium auf. Kapitel 14 Vers 6!“
Als ich nach einigem Suchen die Bibelstelle gefunden hatte, las ich sie laut vor: "Jesus sprach zu ihm: Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater außer durch mich!" Ich war geschockt! Hatte ich richtig gelesen? Jesus war der einzige
Weg zu Gott? „Ja“, hörte ich Herbert sagen, „du siehst, laut Bibel geht
es nur über Jesus zu Gott!“ Ich begann die Dimension dieser Aussage zu
begreifen. Wenn das wirklich stimmte, dann war in meinem Leben etwas
grundlegend nicht in Ordnung.
Herbert erbot sich noch ein Gebet für mich zu sprechen. Ich erklärte mich einverstanden. Es wird nicht schaden und vielleicht nützt es ja sogar was,
dachte ich bei mir selber. Und so betete er: "Jesus, du hast unser
Gespräch mit angehört. Du siehst, dass Heiner wie ein verirrtes Schaf in
der Wüste ist und nach Wasser sucht. Lass ihn nicht für die Ewigkeit
verloren gehen und errette ihn aus seinem Zustande! Amen!"
Nun war ich zum zweiten Mal geschockt. Herbert sah mich also ein
"verirrtes Schaf in einer Wüste" an, dass auf "ewig verloren" zu gehen
drohte und einer Errettung durch Jesus bedurfte. Nicht gerade
schmeichelhaft für mein Ego! Aber ich protestierte nicht, sondern sagte
nur: „Amen!" Dann verabschiedete ich mich von ihm und machte mich
nachdenklich auf den Weg zu meinem Fahrrad.
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